Lioba Albus im Ballenlager

Nur wenige Requisiten brauchte die aus dem von ihr so geliebten Sauerland angereiste Lioba Albus am Samstagabend im sehr gut besuchten Ballenlager. Mit ihrem aktuellen Programm "gewählten Höhepunkte - Kabarett á la carte" zelebrierte sie einen exquisiten Abend , bei dem das Publikum die Themen vorgeben konnte, die ihm besonders am Herzen lagen. So wurde Demokratie beim eingeschränkten Mitspracherecht des Auditoriums leibhaftig erlebbar.
Vielleicht sollte Lioba Albus doch ihre Hemmungen überwinden und in die Sphären des Zeitgeschehens namens großer Politik wechseln, sie hätte mit ihren Ideen zur Überwindung der Arbeitslosigkeit und Leistungsunfähigkeit der herrschenden Klasse bestimmt gute Chancen auf einen Job in der ersten Riege. Sie würde auch bestimmt nicht wie ihre sich selbst degradierende kabarettistische Mitstreiterin Lisa Fitz in den Dschungel geschickt. Neben der großen Politik und dem nie endenden Geschlechterkrampf waren es besonders die kleinen Dinge des Lebens, von Tupperparty bis Petersilienhochzeit und anderen familiären Festivitäten, die sie akribisch auf ihrem Block notierte und danach zur Freude aller abarbeitete.
Unergründlich waren ja die Tiefen der legendären Einkaufstasche, die sie wie eine Waffe in der Rolle der Mia Mittelkötter an sich gepresst hielt. Mit Perücke á la Vogelnest, strassbesetzter Weste und Perlenkettenimitation klagte sie über die Armut ihres Hausarzte, dem ersten Opfer der Gesundheitsreform genauso wie über die depressive Haltung im Lande. Perspektiven schaffen, Mut machen und Aufrütteln aus der Lethargie des alltäglichen Frustes bezog sie genauso auf die familiäre Situation als Gattin eines "Sauerländers" wie im globalen System der Politik auf die Rolle der Politikergattinnen von Schröder bis Fischer.
Praktische Lebenshilfe gab es auch für die Männer im Publikum, denen sie in der Rolle als alkoholisierter Macho die erbärmliche Lage ihres Geschlechtes jenseits der Bindungsgrenze aufzeigte. Weh dem, den dieses nicht abschreckte, er wäre für die Frauenwelt verloren. Aber ob sie nun Esoterik oder Erotik durcheinander brachte, immer hatte sie auf charmant-vergessliche Art wichtige Lebensweisheiten parat, führte aus dem unüberschaubaren Gewirr zwischenmenschlicher Beziehungen in das Paradies des "Lebens mit einem sprachlosen Mann", der ihr den Raum zur eigenen Entfaltung nie streitig machte - er war ja in seiner Unselbständigkeit stumm an ihr Versorgungsmodell gekettet, Kostendämpfung in der Pflegeversicherung quasi der praktischen Art.
Sie wusste alles und sprach auch darüber. Mit spitzer Zunge, feiner Ironie und frechem Humor, dieser Abend bedeutete einen Angriff auf die Lachmuskeln, auch wenn man sich an den Nebensätzen manchmal verschlucken konnte. Mut zur dunklen Seite der eigenen Hässlichkeit brachte sie mit direkter und dennoch sympathischer Art auf, ihrer Ausstrahlung konnte man sich nie entziehen. Muttersein jenseits der magischen 40er Grenze verband sie überaus reizvoll im Minikleid wie eine intellektuelle Missionarin mit einer Vision der einer Welt, wo Männer noch Männer sein dürfen, wo die Verwirklichung der Frau nicht beim Besuch von Volkshochschulkursen aufhört.
Stürmischen Applaus am Ende gab es für diese wandlungsfähige Frau, die aus Mitleid dann lediglich zwei Gedichte rezitierte, um das Energiepotential des männlichen Teils des Publikums für die leidgeprüften Frauen nicht zu sehr zu erhöhen, ihnen eine ruhige Nacht zu ermöglichen.

 

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