Lioba Albus im Ballenlager

391 Besucher erlebten am Samstagabend mit Lioba Albus einen Wortvulkan, der das Ballenlager in seinen Grundfesten erschütterte. Die Kulturinitiative hatte zu dem Kabarettabend "Von der Göttin zur Gattin" eingeladen, ohne die unumstritten globale Bedeutung im vollen Umfang einzuplanen. Unbeschadet im Denken überstand wohl niemand diesen bissig-bösen Angriff auf die eigene Lachmuskulatur, lernte das begeisterte Publikum einen ganz neuen Zugang zu den aktuellsten Problemen im epochalen Geschlechterkampf. Und der Ruf von Lioba Albus schallte durch die von Krisen gerüttelte Republik mit dem Pleitegeier am bundesdeutschen Himmel. Speziell ihre Geschlechtsgenossinnen forderte sie auf, sich auf ihre einst hoch gelobten Qualitäten zu besinnen, um ein wichtiges Kulturgut, die deutsche Kleinfamilie, zu retten. In ihrem fulminanten Redefluss ging dann auch jeder unter. Die Politikgrößen über alle Parteigrenzen hinweg ebenso wie der kleine Mann als Relikt einer heimeligen Trostlosigkeit. Denn in der kleinsten Sozialisationseinheit der Gesellschaft fand sie mit ihrem Seziermesser den Grund für alles Übel auf der Welt, speziell der inländischen.

Viele Jahrzehnte Frauenbewegung haben natürlich einiges Erstrebenswerte erreicht, aber vom Olymp der alles beherrschenden Weiblichkeit lässt sich diese bedrohte Welt nur dadurch retten, dass die Frauen herabsteigen zu den Niederungen der Kleinfamilie, zum Ehealltag im Angesicht der männlichen Mittelmäßigkeit. Und selbst die Schöpfungsgeschichte schrieb sie an diesem Abend feministisch geprägt neu. Überaus überzeugend zeigte sie auf, dass hier schon der Grundstock gelegt war für das Versagen im Angesicht heutiger Ehekrisen, Werteverluste vorprogrammiert im göttlichen Schaffungsprozess.

Lioba Albus hatte eben für alles eine Antwort, wechselte ihre Rollen virtuos von der kultigen Mia Mittelkötter, zu Roswitta, der Frau mit der fettig-schlüpfrigen Lebensphilosophie, bis hin zu ihrer eigenen Person mit zweifelhaften Weisheiten aus dem neu aufgelegten Lebensberaterbuch.

Seit der Premiere dieses neuen Programms im Februar feiert sie überall beifallrauschende Erfolge. Wenn Lioba Albus redet, kommt niemand mehr zu Worte. Dann kann man sich vorstellen, wie der eigene Ehemann mit sauerländischem Gemüt nur noch Schweigen kann im Angesicht dieses Stimmwunders. Und als umsichtige Lebensberaterin in allen erdenklichen Lagen beriet sie die Frauen im Publikum auf ihrem zukünftigen Weg ins "kleine Glück", versöhnte sie sich mit den anwesenden Männern, deren Schwächen sie als evolutionäre Hinterlassenschaften in einen verständlichen Zusammenhang brachte. Zwischen Erotik und Trostlosigkeit eröffnete sie vollkommen unvorstellbare Welten des Zusammenlebens. Wer ihr folgt, findet vielleicht nicht das wahre Glück der eigenen Selbstverwirklichung, hat aber für den Wiederaufbau dieses maroden Staates seinen Teil beigetragen, jeden Tag eine gute Tat für den bisher vernachlässigten Mann an der Seite getan und einen Stein des pisageschädigten Trümmerhaufens zur Seite bewegt. "Von der Göttin zur Gattin" ist bestimmt eines der besten Programme von Lioba Albus.

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