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Jürgen Becker im Ballenlager Wissen Sie, was eine Ill-Party ist? Nein? Da sehen Sie, wie der amerikanische Kapitalismus um sich gegriffen hat. Als es noch den rheinischen Kapitalismus gab hierzulande, da hätten Sie in Ruhe drei Tage krank gefeiert, wären von der Apotheke an die Theke gegangen, hatten am Samstag brav gebeichtet und die Weit wäre wieder in Ordnung gewesen. Aber der rheinische Kapitalismus, durch und durch katholisch, wird mehr und mehr vom protestantischen amerikanischen Kapitalismus verdrängt, und darum weht jetzt ein anderer Wind. Und die Folgen? Wer die Sünde nicht mehr zulässt und die göttliche Gnade abschafft, erntet Fundamentalismus. Und die schönste Sünde gegen den Kapitalismus ist nun mal Krankfeiern. Sagte Jürgen Becker, Kabarettist, Moderator der ,.Mitternachtsspitzen", Partner von Didi Jünemann in der WDR-2-Frühstückspause, in seinem Programm "Da wissen Sie mehr als ich", mit dem er am Freitag in Greven gastierte. Jürgen Becker, von den Zuschauern im gerammelt vollen, ja überfüllten Ballenlager gefeiert, ritt einen furiosen Parcours durch die Kulturgeschichte der Sünde, um das Mysterium des rheinischen Kapitalismus zu erklären, glänzte mit unverhofften Pointen, brachte mit derben Witzen Hochphilosophisches auf den Punkt, glitt gelegentlich mal ins Geschmacklose ab, machte das aber sofort wieder wett durch treffenden Spott und beißende Ironie , die nicht selten im scheinbar naiven Gewande da her kamen. Adam und Eva? Die begingen den ersten Ladendiebstahl, und wie heute noch gab's Hausverbot. Aber auch damals schon war die Sünde der Motor des Fortschritts - ohne den Apfelklau gäb's nicht C & A. Der heilige Franz von Assissi? Der war die Rita Süßmuth des Mittelalters, der küsste Aussätzige, während sie sich für die Solidarität mit den Aidskranken einsetzte. Und dann natürlich die Reformation, mit der alles Unglück begann: Vorher war alles Mystik, alles "müsst' ich", "die Idee reichte aus". Und jetzt sollte man tatsächlich brav sein? Den ganzen Tag, nicht nur sonntags in der Kirche? "Durch Luther wurde Müsst' ich ersetzt durch Ich muss." Köstlich, diese Schnute des Kabarettisten. Nun also ist der amerikanische Kapitalismus überall auf dem Vormarsch, die Sozialsysteme wackeln. "Beim Blüm gab's die Rente mit 60, bei Rürup mit 67, und der Papst setzt auf 100". Die Amerikaner probieren jetzt im Irak die Demokratie aus, "und wenn es klappt, führen sie sie auch zu Hause ein." Darauf, dass sie dann das Klima-Protokoll von Kyoto unterschreiben, sollte man aber nicht spekulieren. "Der Amerikaner braucht kein Klima. Der hat in jedem Auto eine Klimaanlage." Der Wirbel um die Visa-Affäre der Grünen ist auch ein Zeichen für den Verfall katholischer Großzügigkeit. ,.Helmut Kohl hat damals 17 Millionen Ostdeutsche reingelassen - da hat auch keiner den Rücktritt gefördert." Ziemlich boshaft? Auf Kölsch klingt's nach leben und leben lassen. Aber das wird natürlich im Kapitalismus immer schwieriger. Da haben wir doch Borrussia Dortmund und seine Finanznöte. Nicht der Fußball zählt, bloß das Geld. "Die Rettung Borrussia Dortmunds hängt ja an Greven", zwinkerte Becker mit den Hinweis, dass Albert Sahle einer der Hauptgläubiger des angeschlagenen Vereins ist. "Soll der doch sagen: Ich stimme dem Sanierungsplan zu, wenn Dortmund mit dem ganzen Parkstadion nach Greven kommt Schließlich ist das hier die einzige Stadt, wo man überall umsonst parken kann." Ist zwar nicht ganz korrekt, Herr Kabarettist, das Parkstadion ist in Gelsenkirchen. Aber macht nichts. Der Gag war gut, im Prinzip. Die Idee reicht aus. Wir bleiben katholisch.
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