Andreas Breiing in der Kulturschmiede

Zunächst ist es still. Dann die kräftigen Schritte eines Ganges, der zum Stolzieren neigt. Schließlich betritt die Gestalt den Raum. Gekleidet in einem gut sitzenden grauen Anzug mit Hakenkreuz-Emblem am Revers und Krawatte. Es ist Adolf Hitler. Er setzt sich an den Tisch, gießt sich ein Glas Fachinger ein und beginnt zu reden. Über die Vorzüge biologisch angebauten Gemüses, über entartete Nahrung und die Angewohnheit seiner Schäferhündin Blondi, mit Behagen Grasbüschel zu fressen; er lamentiert darüber, wie es ist, auf den Nürnberger Parteitagen stundenlang mit durchgedrückten Knien zu stehen, lässt sich aus über das Papsttum (Das Papsttum hat sich als Verfassung bewährt, auch wenn es auf Unsinn beruht), über Sittlichkeitsverbrecher (warum werden die nicht gleich eliminiert?) und die heilende Wirkung von Kriegen (Völker brauchen Blutverlust zur Regeneration).

Der Hitler, wie Andreas Breiing ihn in den Tischgesprächen darstellt, hat wenig gemein mit dem aus heutiger Sicht aufgeblasenen, zu einer oft grotesk überzeichneten Gestik und Mimik greifenden Agitator, der dem Zuschauer in unzähligen Dokumentationen oder auch im aktuellen Kinofilm Der Untergang vorgeführt wird. Breiing, der als Kabarettist (Die Buschtrommel) auch einen anderen Hitler im Repertoire hat, nimmt sich zurück. Die Arme meist vor der Brust verschränkt, sitzt er im Kreise seiner Zuhörer. Ab und an steht er auf, umkreist gemessenen Schrittes, die Hände hinter dem Rücken gefaltet, den Tisch. Die Stimme, irgendwie vertraut, ist klar akzentuiert, aber ohne die bekannten Anklänge von Hysterie.

40 Zuhörer ersetzen in der Inszenierung das tatsächliche Auditorium aus Diätköchin, Fahrern oder Kammerdienern, das sich teilweise im Schichtdienst den endlosen Tiraden des Privatmanns Hitler ausgesetzt sah, die bis in den frühen Morgen dauern konnten und scheinbar unbeeinflusst von den sich wandelnden Kriegsrealitäten waren. Dass sie der Nachwelt teilweise erhalten blieben (ein Großteil der Aufzeichnungen ging in den Kriegswirren verloren), verdanken wir Hitlers Stellvertreter Martin Bormann, der die Monologe von 1941 bis 1944 mitstenografieren ließ, um sich im Zweifelsfall auf das Wort des Führers berufen zu können. Carsten Krystofiak hat daraus geschickt die Passagen der 45-minütigen Aufführung herausgesucht. Vieles ist banal (mir kam Russland immer unheimlich vor), manches hat eine stammtischtaugliche Aktualität (Wirtschaft besteht nur aus eiskalten Geldverdienern) oder ist durchaus konsensfähig (Ich habe kein Verständnis für Männer, die ihre Frauen misshandeln").

Das Publikum in der Kulturschmiede ist zurückhaltend. Die Unsicherheit, wie man auf Hitler angemessen reagiert, ist spürbar.

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