Thomas Freitag im Ballenlager

Er klemmt den Kopf zwischen die Schultern. Schiebt den Unterkiefer vor. Winkelt die Ellbogen an, und es braucht gar nicht das polternde Grummeln mit bayrischem Akzent, um zu wissen: Es ist Franz Josef Strauß, der da in einen spillerigen, stotternden, jammernden Stoiber gefahren ist. Er ist dem Brandt, dem Willi, hinterher, als der sich wiedergebären ließ im Schröder Gerhard. Platz ist im Kanzler ja genug. "Nachdem ich die heiße Luft abgelassen habe, ist es mir fast zu luftig", knurrt der Willi.

Als Parodist hat Thomas Freitag angefangen, jener Kabarettist, der am Samstag vor einem fast ausverkauften Ballenlager sein Publikum mit dem beschriebenen Kabinettstückchen faszinierte. Und dieses Metier beherrscht er noch immer unnachahmlich. Nur der Schröder, der geriet ihm ein bisschen blass. Vielleicht hat die Vorlage nicht genug Ecken und Kanten.

Das kleine Politikerquartett war nur eine der vielen Episoden, die Freitag geschickt in die Rahmenhandlung einer Gerichtsverhandlung verpackte. Peter Holzer, der sich selbst "Che Güllevara" nennt, hat dem Finanzminister ein paar Tausend Liter Gülle ins Dienstzimmer gekippt, um sich gegen den Ruin durch allzu hohe Steuern zu wehren. In immer neuen Szenen, temporeich vor allem im ersten Teil der Show, schildert Freitag, wie dem Bürger heutzutage gar nichts mehr bleibt, als mit "merde", wie er sich vornehm ausdrückt, zu werfen, um seinen Unmut kundzutun. Wählen? Auswandern? Alles keine rechte Alternative. Darum - "Freispruch, Euer Ehren."

Ein Höhepunkt der Show war gewiss das Opern-"Multinett" in Halb-Playback zur Ich-AG. "Morgen, Chef", begrüßt die Sekretärin und klagt in hohem Sopran, dass der Aquisiteur, der faule Hund, noch keinen Handschlag getan hat. "Ich muss sofort ein ernstes Wort mit mir reden", grummelt der Chef in tiefem Bass. Ein Betriebsrat fordert in einer Kakophonie dies und das, schließlich kündigt dem armen Ich-AGler die Frau die "Wir"-AG. Er überredet deshalb seine Sekretärin zu einem romantischen Dinner, und dann "kuschel ich ein wenig mit mir - aber mit Kondom." Immer hektischer wird d er Geang, schneller wechseln die Personen, immer schräger wird ihr Gespräch. Und dazwischen, wie ein Leitmotiv, schrill und drängend: "Schefe, ich wolle putz!"

Klar, neben solchen Bonbons gab es auch einige Längen. Das Tagebuch des Mallorca-Auswanderers, die Eingliederung Lummerlands in die EU fielen gegen den rasanten ersten Teil ein wenig ab. Aber selbst in diesen Passagen gab es so viele witzige, treffende Sprüche, dass Freitag immer wieder Gelächter erntete. Eine Kostprobe? "Wer das Tarifsystem der Bahn durchschaut, bekommt automatisch Abitur."

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