"Kleiner Max" Harald Funke im Ballenlager

"Kabarett mit Niveau" ist heutzutage fast verdrängt von hirnlosem Geschwafel in vielen Unterhaltungssendungen. Aber in Greven brauchte man am Samstagabend das Fernsehen nicht. Ein abendlicher Besuch in der Kulturschmiede des Ballenlagers erwies sich als viel besser, um trotz Pisa den Glauben an die Denkfähigkeit nicht zu verlieren. Ein Harald Funke im Haus ersetzt alle TV-Programme. Sein "Funke Verstand" erwies sich als eine selten zu erlebende Mischung aus der Glut Gelsenkirchens und der Weisheit Westfalens.

Mit seinem ersten Solo-Programm seit den Zeiten der "Kleinen Mäxe" hatte er vom ersten Wort an sein Publikum im Griff, das er liebevoll "Günni" nannte. Und er ließ es in den folgenden zwei Stunden auch nicht mehr los. Dass dabei Politiker wie Schröder, Schily, Merkel und Merz nicht außen vor gelassen wurden, für Harald Funke mit seinem schauspielerischen Talent und seiner Sprachakrobatik war das alles kein Problem.

Erfreulicher Weise erlebte das Publikum an diesem Abend, dass es für "wirkliche" Kabarettisten auch ohne Schläge unter die Gürtellinie geht, dass Niveau und dezente Seitenhiebe sich nicht ausschließen. Harald Funke hatte als praktisches Anschauungsmaterial einen Blumenkohl mitgebracht, den er genüsslich mit dem Küchenmesser zerlegte. So kochte er nicht ein Süppchen, sondern demonstrierte dem gebannt lauschenden Publikum Einblicke in die seltsamen Hirnwindungen, in die verborgene Welt der Triebe und Gedankenspiele der vermeintlich Großen dieses Landes.

Aber in der fast ausverkauften Kulturschmiede ging es an diesem Abend noch um mehr. Schließlich hieß der Untertitel "Kleiner Führer zu Glück, Erfolg und Sex, so oft Sie wollen". Als Trainer der aus dem Publikum entstandenen Ich-AG zeigte Harald Funke, wo der Weg langging. Niemand braucht nach diesem Abend Glücksratgeber oder Lebenshilfebücher, denn die Einblicke in Funkes Gehirn als verrauchte Spelunke mit den sieben Todsünden vermittelten mehr Erfahrungen als zahlreiche Selbstfindungskurse. Sein Ego ging dabei stiften, er traf es am Strand der Urlaubsfestung Mallorca wieder, vereinigte sich mit ihm nach endlosen Eskapaden in der Welt der ewig Suchenden.

Mit seinen "unbegrenzten" Ausdrucksmöglichkeiten ersetzte Harald Funke ein komplettes Ensemble, seine Bühnenpräsenz und Mimik grenzte an eine paranoide Extremsportart, der er wortgewandt immer neue Facetten hinzufügte.

Mit fast diebischem Vergnügen zelebrierte der Ex-Max diesen Abend, von dem Aufstand der chipbesetzten Haushaltsgeräte nach Orwell, der Psychotherapie beim Eierkocher bis zum Verrat durch den "besten Freund des Mannes", den Kühlschrank. Unerfüllte Liebe fand Harald Funke beim Staubsauger und nicht zu vergessen - Gott hinter dem Pfandautomaten im Supermarkt. Beim gemeinsamen Besuch beim Teufel gelangen dann Betrachtungen über Diskrepanzen zwischen Realität und Wirklichkeit, existenzielle Philosophie mit der Dialektik des kleinen Mannes.

Harald Funke auf seinem Aufstieg in den Kleinkunst-Olymp zu begleiten, machte diesen Abend zu einem Erlebnis. Mögen sich andere Mäxe in den vermeintlichen Alltag zurückgezogen haben, einer ist glücklicherweise erhalten geblieben und geht seinen kabarettistischen Weg. Langanhaltenden Applaus spendete das Publikum für diesen kritischen Abend "ohne Keule", aber dafür mit mehr als nur einen Funken Verstand.

 

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