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Hannes Wader im
Ballenlager
Hannes Wader
sagt "Scheibe" zu seiner neuen CD, denn Hannes Wader denkt
noch in schwarz und in Vinyl. Hannes Wader sagt "Ihr" und
"Du" zu den Zuhörern, obwohl er wie sie längst
nicht mehr in dem Alter ist, in dem man sich einfach so
duzt. Hannes Wader ist eben Hannes Wader, alles andere ist
egal. Und ein wenig ist er auch Kumpel der Sympathisanten im
Ballenlager. Ein Vordenker längst vergangener Tage. Ein
Mann mit Bart, der Erinnerungen schürt an damals, als
die Kinder und das Wüstenrot-Haus noch nicht waren.
Die Kulturinitiative hatte einen großen Fang gemacht.
Das Ballenlager ist immer etablierter, so lassen sich immer
bekanntere Künstler engagieren - und es kommen immer
mehr Besucher. Ausverkauft war das Konzert schon Tage zuvor.
Fans und Interessierte aus dem gesamten Münsterland
wollten noch einmal wie früher sein.
Um kurz nach acht kommt Hannes Wader auf die Bühne. Er
freue sich, in Greven zu sein, sagt er und weiß
bestimmt, dass diese Floskel kaum besser ist, als nichts zu
sagen. Aber Wader ist ja kein strahlender Entertainer,
sondern ein Liedermacher. Sein wohl bekanntestes Stück
"Heute hier, morgen dort" singt er gleich zu Beginn. So, das
war's, jetzt kommen jüngere Lieder.
Ehrlich gesagt: Hannes Wader singt nicht wirklich gut. Er
zupft die Gitarre so, dass seine Fans am Lagerfeuer vor Neid
erblassen, aber manchmal klingt der Gesang jaulig. Aber das
ist ja eh nur die halbe Miete beim Liedermacher. Da geht es
um Inhalte. Und die sind bei Hannes Wader noch immer teils
recht deutlich. Von Hochrüsten sei nicht mehr so die
Rede, seit die Völker verstanden hätten, dass sie
sich mit Kleinwaffen genau so gut massakrieren könnten.
"Aber das ist ja auch schon ein Fortschritt." Den
Nationalsozialismus vergessen - da sei er gegen: "Dann
lieber keine Identität den Deutschen. Die Deutschen
fühlten sich immer nur dann mit sich identisch, wenn
sie sich nicht nur über andere stellen, sondern auch
auf ihnen herumtrampeln konnten." Deutschland habe er in
seinem langen Leben stets mehr gegeben, als er zurück
bekam.
Wenn Hannes Wader über die Welt klagt, in die er
geboren wurde, klingt das resigniert, ja hoffnunglos. Die
Grundfeste der Welt werden nunmal so bleiben, und die Zeit
des Menschen ist zu kurz, um alles umzukehren, um darauf zu
hoffen, dass sich alles ändert. Aber ist das Grund
genug, grundlegend unglücklich zu sein? In manchen
Liedern erweckt Hannes Wader den Eindruck. Er hadert mit
allem. Er klagt und verklagt. Er verdammt, kritisiert und
verachtet.
Da ist es gut, dass er manchmal auch richtig lustige und gut
gelaunte Lieder singt. Auch in Hannes Waders Welt gibt es
eben Liebe, Freundschaft, Schönes. So kommt er ins
Gleichgewicht: Schlechtes nennen, klar, aber bitte nicht
vergessen, dass es auch Gutes gibt. Besonders Landschaften
und Orte. Hannes Wader beschreibt sie melancholisch,
poetisch, liebevoll.
Wenn er über "Handtuchgroße
PVC-Folien-Feuchtbiotope" lästert und gesteht, er habe
auch eins, wird geistreicher und selbstironischer Witz
deutlich. Neben Anke vom Bioladen steht jemand, und er
glaubt, es sei ihre Mutter. Dabei ist es ihr Mann. ironisch
und augenzwinkernd ist Hannes Wader dann selbst
gegenüber scheinbar Verbündeten. Das nächste
Lied ist sein Lieblingslied, "deshalb habe ich es
persönlich aus dem Schwedischen übersetzt. Sehr
frei, denn ich kann kein schwedisch." Dröger Humor
eines Teutoburgerländlers, der in Berlin bekannt und in
Ostfriesland alt wurde.
"Ich bin mal Kommunist geworden. Jetzt bin ich nichts mehr.
In diesem Zustand der Gnade möchte ich alt werden." Als
Hannes Wader. Mit guten "Scheiben".
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