"Hamburger Blues Band" im Ballenlager

Wer glaubt, dass Blues nur Musik für die ruhigen Stunden sei, der wurde am Freitagabend eines Besseren belehrt. Die Kulturinitiative hatte zum "Blues in den Mai" eingeladen, und fast 300 Zuhörer waren gekommen, um diesen Abend mit der "Hamburger Blues Band" zu verbringen, dem Urgestein der deutschen Blues-Szene.

Die Mitglieder der HBB haben in den vergangenen Jahrzehnten deutsche Blues-Rock-Geschichte geschrieben und zeigten bei diesem Konzert, dass sie zwar "in die Jahre" gekommen sind, aber nichts von ihrer Energie und Kraft verloren haben. Fast wie mit einem Dampfhammer zeigten sie mit metallischer Härte zu Beginn, was sie zu einer der besten Formationen der deutschen Rock- und Blues-Szene gemacht hat. Denn als absolute Live-Band verstehen sie ihr Metier, schöpfen ihre musikalischen Ideen aus dem aktiven Miteinander.

Shouter Gert Lange prägte mit seiner an Cocker erinnernden Stimme den ersten Teil, ließ Zeiten von "Colloseum", "Lake" und "Atlantis" wieder auferstehen. Ehrlichen Bluesrock präsentierte er, seine kräftige, eigenwillige Stimme passte perfekt zum Sound der Band. Songs wie "Tender Touch", "Real Stuff", "Hey, little Lady" und "Rattlesnake Shake" ließen am Freitagabend niemanden ruhig stehen, rissen einfach mit.

Gitarrist Alex Conti zeigte einen Gitarrenton der Extraklasse, überließ nichts dem Zufall und spielte doch mit großer Leichtigkeit. Technische Schwierigkeiten existierten für ihn einfach nicht - egal ob er in rasanten Soli eine bestimmende Rolle übernahm oder sich im Set sauber artikulierend in den Bandklang einbrachte.

Hans Wallbaum am Schlagzeug, früher bei Chuck Berry und Müller-Westernhagen, agierte, wie man es von diesem Ausnahmemusiker erwarten konnte - punktgenau, antreibend und mit unglaublicher Präzision. Er setzte Akzente, war immer präsent, stachelte seine Kollegen förmlich zur Höchstleistung an.

Bassist Michael Becker agierte mehr im Hintergrund, schuf dort die harmonischen Grundlagen. Ehrliche Musik hörte man an diesem Abend, kein elektronisch aufgemotztes Spiel. Und das wusste das Grevener Publikum zu schätzen. Es ging zu wie in Zeiten des alten Münsteraner Jovel, man erlebte eine Reise zurück zu seiner eigenen Rock-Vergangenheit. Beim Konzert der HBB sah man auch viele Gesichter von damals im Publikum wieder.

Nach der Pause kam der britische Gastsänger Mike Harrison hinzu, die Stimme der legendären "Spooky Touth". Seine rasanten Duelle an der Mundharmonika mit dem Gitarristen Alex Conti vergisst man nach dem Grevener Konzert bestimmt nicht. Bei "Shaky Ground" erbebte das Ballenlager, so stark rüttelten die HBB quasi an den Grundmauern gängiger Rock-Klischees. Mike Harrison verband countrymäßigen Westcoast-Sound mit urbritischer Bluestradition, ging bis an die Grenzen seiner Kraftreserven. Seine Stimme begeisterte mit unverwechselbarem Timbre, seine Präsenz war unglaublich. Mit Songs der frühen 60-er und 70-er Jahre ließ er "sein" Publikum nicht mehr los.

Und dieses ging während des ganzen Abends mit, ließ sich einfangen von der ehrlichen und authentischen Musik der HBB. Einen kleinen Wermutstropfen gab es: Das Konzert war einfach zu kurz. Denn wie im Flug raste die Zeit bis Mitternacht. Von diese Musik hätte man trotz der Zugaben noch mehr hören können.

 

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