Volker Pispers im Ballenlager

Die erste Veranstaltung im neuen Jahr genießt immer besondere Beachtung. Zeigt sie doch die konzeptionelle Ausrichtung wie den erreichten Qualitätsstand. Die Veranstaltungen der Kulturinitiative Greven haben sich längst vom anfänglichen Mauerblümchendasein durch viel ehrenamtliches Engagement und hochwertige Arbeit zu einer kreisweit renommierten Reihe entwickelt, um die Greven von vielen Städten und Gemeinden im Münsterland beneidet wird.
Auch am Samstagabend bewiesen die Organisatoren ein glückliches Händchen bei der Wahl des Künstlers. Mit Volker Pispers war ein Kabarettist der absoluten Spitzenklasse eingeladen worden, der in 20 Jahren Auszeichnungen gesammelt hat wie andere Leute Briefmarken. Kein Wunder also, dass das Ballenlager fast aus den Nähten platzte.
Und was das Publikum geboten bekam, war so facettenreich wie das untersuchte Zeitgeschehen, jeder auf dem politischen Parkett tanzender vermeintlich Großer bekam die messerscharfe Sichtweise von Volker Pispers zu spüren. Sein Programm ...bis neulich war eine Zusammenstellung, ein best of seiner kabarettistischen Laufbahn, die einzelnen Beiträge zeigten die besonderen Vorzugsobjekte der Vergangenheit, verbunden mit tagesaktuellen Bezügen. Und so vergaß man die Zeit, denn viele Namen haben sich eben nicht geändert, Absurditäten aus Politik und Gesellschaft sind eben zeitlos.
Pispers jonglierte mit Zahlen so virtuos und fesselnd wie kein anderer, wobei alle unters Messer kamen von Schröder über Fischer und Merkel bis Kohl. Umweltprobleme, Gewalt, Arbeitslosigkeit, selbst Parteispendenaffären, Staatsverschuldung und Gesundheitsreform hat man längst schon überwunden in diesem Lande. Mit großer Wortgewandtheit und Akribie beleuchtete dieser sympathische Mann die Dinge, fing einen Satz ganz harmlos an, um dann im Nebensatz plötzlich knallhart, erbarmungslos und respektlos die Dinge beim Namen zu nennen, die sich andere nicht zu denken trauen.
Respekt müsse man sich durch Qualität erst verdienen, so würden viele vermeintlich Arbeitenden bei leistungsgerechter Bezahlung auch leider aussterben sei es die Spezies der Unternehmensberater oder die seien es die Aktienhändler, die das Geld anderer nur Gassi führen. Auch wenn Pispers mal übers Ziel hinaus schoss er versöhnte auch mit persönlichem Charme, ohne anbiedernd zu sein. Er zeigte persönliches Profil, blieb sich und seinen Grundsätzen treu, auch wenn es unbequem in der heutigen Zeit ist.
Bildungsniveau contra finanzielle Möglichkeiten, die Rolle der USA mit ihrer Politik der herangezüchteten Kleintyrannen, die dann irgendwann eigene Machtgelüste entwickeln und von Verbündeten zur Inkarnation des Bösen werden dies beschäftigte ihn am Samstagabend ebenso wie die Seniorenfrage. Steuerpolitik erhellte Pispers vor einem seit Pisa allgegenwärtigen Hintergrund. Solange die Bevölkerung noch genug Geld hat, um die Bücher von Dieter Bohlen zu kaufen, können die Steuern noch lange nicht hoch genug sein, ist genauso signifikant wie die harte Einsicht, dass diejenigen, die in dieser Gesellschaft nichts haben, eben auch keine Lobby besitzen, somit nicht in Erscheinung treten.
Politisches Kabarett als Anti-Idiotikum begeisterte bis zur letzten Minute. Die Zuhörer konnten sich nicht von Banalitäten einlullen lassen, Medizin hilft ja auch nur, wenn sie bitter schmeckt. So gab es fast drei Stunden hochwertigste Unterhaltung, nicht immer ohne Widerspruch, manchmal bitterböse, aber jederzeit akzeptabel.

 

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