Konstantin Wecker im Ballenlager

Seiner Bronchitis sei Dank. Hörbar rauer kommen die mal im rhythmischen Stakkato, mal in weichen lyrischen Songs gesungenen Botschaften des engagierten Liedermachers rüber. "Ich singe, weil ich ein Lied hab'", teilt Barde Konstantin Wecker seinen Zuhörern im Baumwoll-Ballenlager zu Greven mit. Und 500 Menschen spüren in der ausverkauften Industriehalle, dass Wecker auch nach Jahrzehnten noch viele Lieder hat.

Wer Weckers Konzerte in diesen Zeiten besucht, weiß, worauf er sich einlässt: Die Regenbogen bunte "Pace"-Fahne am Flügel bekommt eine Stimme. Seine Stimme, die laut, aggressiv, unnachgiebig, aber überzeugend die Botschaft gegen diesen Krieg wie gegen jeden Krieg erhebt. Willy, alter Kumpel aus 68ern, erlebt im bluesigen Gespräch die Wiederauferstehung. Dem Willy erzählt er von "gehirngewaschenen Verbrechern", die das World Trade Center in die Luft gejagd haben und prangert dann im Talking Blues jene an, die die Freiheit verteidigen. "Die des Geistes oder vielleicht nur die des Marktes?" Seine Antwort singt er in vielen Liedern, etwa im Waffenhändler-Tango, in der ein blühender Industriezweig stets selbst den Produktion-Boom erzeugt. Böse sind Weckers Texte fast immer, ganz böse aber, wenn Amerika, das "Saddam zum hausgemachten Frankenstein" aufpäppelte, in des Sängers Fokus gerät. Dann singt er sich in Rage, Hände krachen in die Tasten, verstärkt durch den Oberkörper, den es nicht mehr auf dem Hocker hält. Töne und Worte branden bis in die letzte Sitzreihe.

Doch Wecker hat an diesem Abend viele Gesichter: Als Rezitator eigener Poesie, die sich frei zwischen skurrillen Morgenstern-Adaptionen und Brechtscher Diktion bewegt. Als Liebeslieder-Sänger zwischen Melancholie, Hingabe und Schwermut. Als Sänger, der gar häufig mit den Schwächen des Alters kokettiert und als Mensch, der in der eigenen Vita manches Mal die hehren Ideale seiner Lieder nicht erreichte.

 

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