Volker Pispers in der Linse (WN)

Der Nachrichtensprecher gibt sich locker- moderat. Passend zur nachfolgenden Peter-Alexander- Show verschiebt man die üble Nachricht auf den nächsten Tag (im Abendprogramm läuft dann ein Gruselfilm). „Das hilft doch auch keinem“, wird die Amokfahrt eines Arbeitslosen kommentiert, „Nähe“ zum TV-Publikum gesucht. Volker Pispers in Aktion: Freitagabend gastierte der Münsteraner Kabarettist zum zweiten Mal auf Einladung der Kulturinitiative im Filmforum „Linse“.

Es ist, als ob sich Volker Pispers einige Wochen einem intensiven Medienkonsum unterzogen hat. Danach hat er sich einmal kräftig geschüttelt, alles durcheinandergewirbelt, um den Dingen einen neuen, „seinen“ Sinn zu geben. Da entsteht die „Bundesrepublik Daimler“ als „Gesellschaft hinter Schloß und Schokoriegel“ ebenso wie die „Parlament-Arier“. Als Sprecher der Bürgerinitiative „Daimler-Fans“, die sich dem Motto „Rüstung unter einem guten Stern“ verschrieben hat, läßt Pispers faszinierende Wortgebilde auf den Zuschauer los, die für seine Zwecke werben sollen. So kann man Sprache oder PR-Rhetorik ad absurdum führen.

Pispers war gut in Form am Freitag abend. Bis elf Uhr dauerte sein nur von einer Sektpause unterbrochenes Programm. Als „Peter Guschel vom Radio Valium“ ließ er die Leute hinter die Kulissen der Hörersendung „kein Thema - viele Meinungen“ blicken.

Das „Demo-Land“ bei Brühl, wie es dem Zuschauer vorgestellt wurde, vereinfacht den Widerstand, macht ihn konsumierbar und - was wichtig ist - man kann zwischendurch surfen. Man kann schon sagen - es hat sich etwas geändert bei Pispers - verglichen mit seiner Vorstellung 1988. Gut, makaber ist er geblieben. Man denke nur an die Stelle, wo er einen Zusammenhang zwischen der Forderung „Arbeitslose weg“ und „Maßnahmen“ wie dem Flugtag in Ramstein herstellt, wo die Leute mit „brennendem Interesse“ hingehen. So ist Pispers nun mal. Natürlich dürfen auch die Seitenhiebe auf die katholische Kirche nicht fehlen („ist die hier jemandem bekannt“).

Diese waren stellenweise nicht mal originell, geschweige denn witzig. So ist die Vorführung des Blasius- Segen nicht als kabarettistisch, sondern eher als plump zu kennzeichnen. Aber: Das waren eher die Schattenseiten. Dafür werden neue Akzente gesetzt, die vor einem Jahr noch nicht zu sehen waren.

Zum Beispiel: Während der Vorstellung ruft „Mutti“ an: Pispers in der Rolle des ungeduldigen Sohnes, gekleidet mit dem selbstgestrickten Pulli und ernährt mit dem selbstgemachten Gulasch. Keine Nummer, die einer kabarettistischen Intention dient, sondern neu interpretierte Realität, Voraussetzung: ein scharfer Blick. „Meine Sorgen möchte ich haben“: Pispers Erlebnisse in der Herrentoilette, Beobachtungen und Gedanken, wie sie jeder Mann kennt, ohne sie je besprochen zu haben. Der Liedermacher Winfried Marie Hohl, der Vollkornwürmer für Bioangler züchtet, der Hauptschullehrer Möllemann, der sich bei einer absoluten Mehrheit der Grünen sogar einen Irokesenschnitt schneiden lassen würde, um Minister zu bleiben - alles Gestalten, deren Schwachstellen Pispers hemmungslos herausarbeitet, ohne Rücksicht auf Rang und Namen.

Nach zwei Zugaben hat der Verwandlungskünstler genug; als „sympathischer Ätzer“ (so ein Zuschauer) verläßt er ein zufriedenes Publikum.