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Anna Wimschneider im Haus Liudger (WN) Aus ihrem Leben erzählte Anna Wimschneider, Bestsellerautorin des Buches Herbstmilch, auf Einladung der Kulturinitiative am Mittwoch abend im Haus Liudger. Angereist war die 71jährige schreibende Bäuerin aus Pfarrkirchen zusammen mit ihrem Mann Albert, der ihr beim Kramen in den Erinnerungen half. Sie war sich eines interessiert zuhörenden Publikums sicher, als sie einige Szenen aus ihrem besonders harten und arbeitsreichen Leben in echt bayrischer Mundart erzählte. Schon mit acht Jahren verlor Anna Wimschneider ihre Mutter. Fortan mußte sie den elfköpfigen Haushalt mit Vater, Großvater und acht Geschwistern im Alter von dreizehn Jahren bis hin zum Jüngsten, der gerade geboren war, allein versorgen. Nach fünfeinhalb Jahren verließ sie die Schule ganz, um voll für die Arbeit im Haus zur Verfügung stehen zu können. So blieb ihre Kindheit äußerst kurz. Mit einem Schlag wurde sie ins kalte Wasser eines harten Lebens geworfen. Nach dem Tod ihrer Mutter nahm die Arbeit nie ein Ende. Von morgens früh bis abends spät war sie auf den Beinen. Ob Brot backen, Essen kochen, putzen, Wäsche waschen, auf die Geschwister aufpassen und' sich um sie kümmern - Anna kam nie zur Ruhe. Oft mußte sie noch bis spät in die Nacht hinein Hosen und andere Kleidungsstücke flicken. Anfangs, so erzählt Anna Wimschneider, habe der Vater es mit mehreren Haushälterinnen versucht, doch keine sei länger als eine Woche geblieben. Der Kinderhaufen sei ihnen einfach zu groß gewesen. Daß es nicht leicht ist, eine solche Großfamilie satt zu bekommen, zeigte Anna Wimschneider an einem einfachem Beispiel. Pro Woche seien 18 Laib Brot in der Familie gegessen worden, die sie selbstverständlich alle habe backen müssen. Ihr Traumberuf, der einer Krankenschwester, blieb ein Wunschtraum. Anna war auf dem Hof unabkömmlich. Freizeit hatte sie auch keine. Doch auch nach ihrer Heirat wurde das Leben nicht leichter, eher noch härter. Denn nur elf Tage nach ihrer Hochzeit erhielt ihr Mann den Einberufungsbefehl. Da sonst auf dem Hof ihres Ehemannes nur vier alte Leute lebten, mußte sie von nun an neben der Hausarbeit auch die körperlich anstrengende Feldarbeit machen und schließlich auch noch die alten Leute versorgen, die ihr dazu nicht besonders wohlgesinnt waren. Die Schwiegermutter tyrannisierte sie dermaßen, daß Albert, Annas Mann, sie schließlich aus dem Haus warf. Auch nach dem Krieg verfolgte sie das Pech weiter. Ihr Mann war durch einen Halsschuß im Krieg verwundet worden und zunächst arbeitsunfähig. Mittlerweile Mutter von drei Töchtern, arbeitete Anna Wimschneider sich nach dem Krieg zusammen mit ihrem Mann Albert langsam empor, so daß sie zum In späteren Jahren machten sich schließlich erste Folgen ihres harten Arbeitslebens bemerkbar. Sie bekam schwere Asthmaanfälle und verbrachte zehn Jahre lang die meiste Zeit, im Krankenhaus. Dort begann sie auch ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben, die sie im Winter 1982/83 innerhalb von nur zwei Wochen vollendete. Durch Zufall und auf vielerlei Umwegen kam das Manuskript schließlich in die Hand eines Verlegers, der die einfache Bäuerin mit Mühe überzeugen konnte, es zu veröffentlichen. 1984 auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt, entwickelten sich die Lebenserinnerungen,einer Bäuerin mit dem Titel Herbstmilch, benannt nach einer traditionellen bäuerlichen sauren Milchsuppe, schnell zum Bestseller. Inzwischen wurde die Autobiographie der Anna Wimschneider auch erfolgreich verfilmt. Der Film, so Albert Wimschneider, hätte ihn selbst zutiefst ergriffen. Herbstmilch; das ist nicht nur das Schicksal einer bestimmten Bäuerin, wie Albert Wimschneider treffend herausstellt, sondern es steht für nur allzu viele Frauen in der damaligen Zeit, denen es ähnlich erging. Und dieses Buch, das durch seine einfache Sprache eine gewisse Nähe des Lesers zum Geschehen herstellt, ist auch weit vom Charakter einer romantischen Erzählung entfernt. Es ist ein erschreckender und schockierender Lebensbericht einer Bäuerin, die in mittelalterlichen Verhältnissen lebte; so arm waren Teile der Landbevölkerung noch vor nicht einmal fünfzig Jahren. Demnach ist Anna Wimschneiders Schlußfazit dann auch eindeutig: Wenn ich noch einmal zur Welt käme, eine Bäuerin würde ich nicht mehr werden. Sie hat aus dem Ausgeliefertsein an die Arbeit, das nahezu ihr ganzes Leben bestimmte, ihre Lehren gezogen.
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