Die Missfits im Kulturmagazin

In der Pause stecken sie die Köpfe zusammen, tuscheln, finden jene alternativen Frauenworte für den wissenschaftlichen Begriff Klitoris, nach denen zuvor Missfit-Frau Gerburg Jahnke suchte. Frei weg von der Leber, vor allen anderen Kabarettbesuchern kam niemand das intime Frauen- Suchwort über die Lippen.

Ohne Antwort im Artistengepäck reisen die Missfits am späten Samstagabend in ihr Oberhausen zurück. Doch was sich vor dem Abschied von Stefanie Überall und Gerburg Jahnke auf der Bühne der Kulturinitiative abspielte, war bemerkenswert. Frauenkabarett erster Klasse sprachlich perfekt, inhaltlich scharf.

Nicht zu viel hatte Gleichstellungsbeauftragte Mechtild Heike versprochen. Sie verkaufte die Missfits dem Publikum „als das derzeit wohl beste Frauenkabarett Deutschlands“. Noch ein Wort zu den Veranstaltern: Kulturinitiative und Gleichstellungsstelle feierten eine kleine Premiere. Erstmals präsentierten sie gemeinsam ein Programm. „Die Zusammenarbeit hat Zukunft“, würdigte denn auch Mechtild Beike die Co-Produktion.

Wenn Frau an diesem Abend die Scharfmache gegen alles Männliche erwartet hatte, mag sie ein wenig enttäuscht gewesen sein. Denn ihre verbalen Pfeile schießen die Missfits mit gleicher Treffsicherheit auch gegen das eigene Geschlechts ab, legen dessen Schwächen schonungslos offen, wobei das gemeinsame Lachen der Schärfe die Spitze nimmt. Wir sind noch einmal davon gekommen.

Beispiel eins für einen fabelhaften Blattschuß: Tatort Grevener Bahnhof. Da treffen zwei aufeinander, die sich nichts- zu sagen haben. Gemeinsam gehen sie auf die Reise in die Vergangenheit.

Hehre Ideale von einst verkümmern in der Rückschau zu Banalitäten. „Weist Du noch, jede Woche waren wir auf einer anderen Demo.“ Doch die vermeintliche Aktivenzeit reduziert sich rasch auf inhaltslosen. Aktivismus: „Du wußtest nie gegen wen oder was wir demonstrierten“, ,wirft die eine der anderen vor. Beide Frauen stehen auf dem Bahnsteig. Mit dem Zug fährt die Gegenwart ein: Jürgen und Klaus, zur jeweiligen Überraschung feste Lebensgefährten, Ehemänner, ja Väter. Der eine, gescheiterter Performance-Künstler - der andere, Fachmann für Farben und Lacke. Diese unerwartet banalen Beziehungen avancieren im Zwang der positiven Selbstbeweihräucherung 2nr Twifinungstraumwelt.

Beispiel zwei: Die Probleme des kollegialen Miteinanders am erlebten Bühnenalltag.

Missfit-Stefanie Überall singt oder besser versucht ihre Herz-Schmerz-Schnulze zu singen. Doch der ur-eigene Beitrag zum gemeinsamen Programm „Zwischentöne“ wird torpediert von Kollegin Gerburg Jahnke, die mit harschen Zwischenrufen dem sentimentalen Gedusel ein Ende bereiten will. Technikerin Susanne Fünderich macht die Intrige perfekt. Stefanies Träumereien am Piano zerstört sie letztlich durch den Blackout des Suchschweinwerfers Doch wie lassen sich die Grabenkämpfe im .Frauenrevier unter Kontrolle bringen? Von den offensichtlich im Männergehege abgeschauten Verhaltensmustern könnte man sich vielleicht zu allererst mit einer eigenen Sprache abgrenzen. Gsielinde Geisiemeisie alias Stefanie Überall hat sie denn auch kreiert: Die Femini Sprach. Der kleine Unterschied zwischen den Geschlechter liegt eben nicht an dieser bestimmten Stelle, sondern, um mit Gsielinde Geisiemeisie zu sprechen: „Die Üntsieschied zwischen die Wörtsies ist die Üntsieschied zwischen die Geschlechtsies.“ Drei einfache Regeln lassen aus der Männer- eine Frauensprache werden.

Jedes „man“ wird ersetzt durch „freu“, aus dem maskulinen „er“ wird in allen Wörtern ein „sie“, Vokale schließlich gibt’s nur noch mit Umlaut.

Gsielinde Geisiemeisie präsentiert sich in der KI als vituose Meisterin der „Femini Sprach“. Auch mit dem Publikum durfte sie zufrieden sein.

War es noch bei der Suche nach dem besagten Alternativwort sprachlos, fand es sich dafür im komplexen Bereich der Femini . Sprach umso rascher zurecht. Also: So ganz hat das Grevener Publikum doch nicht versagt.

Und die Missfits? Die letzte Antwort auf die Geschlechterfrage haben sie gottlob nicht präsentiert, dafür aber ein zweistündiges Kabarett wie man und frau es mag.