Storno im Ballenlager

Sie sind böse ohne zu verletzen, süffisant und mit ungebrochenem Charme nehmen sie auf ihrem Weg durch die Jahreszeiten jedes nur denkbare Fettnäpfchen mit. Harald Funke, Thomas Philipzen und Jochen Rüther sind Meister ihres Faches, sorgen im voll besetzten Ballenlager für eine weihnachtlich inspirierte Stimmung, in der selbst der Jahresrückblick jegliche depressive Weltuntergangsstimmung verliert. „Storno 2007“ ist eben mehr als ein buchhalterisches Aufrechnen von Katastrophen, da wird das Jahr zu einem grandiosen Event mit Kultstatus.

Das bisschen Klimawandel ist längst nur noch eine Fußnote im Weltgeschehen, da wird die Seligsprechung von „Unser Angela“ zur grandiosen Selbstinszenierung. Intelligente Wortspitzen jagten sich in den 180 Minuten, da bekam der Ausdruck „niveauvolle Unterhaltung“ eine ganz andere Dimension. Die natürliche Rollenverteilung im Trio sprach Bände. Jochen Rüther war ohne Zweifel die geheime Gehirn-Eminenz, Thomas Philipzen das bodenständige Medium und Harald Funke der emotionsgeladene Verfechter kleinbürgerlichen Denkens.

Da wurde niemand der großköpfigen politischen Macher vergessen, Putin, Bush und Schröder sorgten zusammen mit Müntefering und Beck für genug Gesprächsstoff, schließlich haben sie mit Stoiber so viel Beachtenswertes in diesen sagenumwobenen zwölf Monaten vollbracht. Wozu das Jahr ganze 545 600 Minuten brauchte, das schaffen diese drei Meister der kabarettistischen Sezierkunst an einem einzigen Abend. Die Tierwelt wird zum Abbild menschlicher Ethikverstöße. Beispiele satirischer Bisse gegen bärige Hysterie gibt es einfühlsam zelebriert. „Bruno wird erschossen, weil ein „Brauner“ in Deutschland keine Lobby haben sollte. Knut ist eben ein Weißer mit Sympathiebonus“. Da wird die Kanzlerin zur strahlenden „Miss Erfolg“ gekürt, entwickelt sich Stoibers politischer Abgang von der Bühne zum debilen Volkstheater à la Stanglwirt. Und wenn sie zu den jamaikanischen Klängen Gabriele Pauli huldigen in einem vielbejubelten „No woman, no cry“, dann tobt das Ballenlager erst recht.

Dieses Trio trifft den Zahn der Zeit an seiner entzündeten Wurzel, der Bohrer stochert da liebevoll im kranken Nervengerüst einer ganzen Nation. Diese Revue der Peinlichkeiten einer politisch desolaten Gesellschaft konnte man jederzeit zurückgelehnt genießen. In den Schützengräben des Bildungssystems gibt es viel zu tun. Dieses Trio zeigte in einer rasanten Revue, wo der Schuh auch im Jahre 2007 noch drückt. Zwei Misanthropen mit lockerem Mundwerk und ein launiger Luftikus mit Ambitionen zum Engel führten zur Vorhölle des Vatikans, wo nach der Zauberreform unglaubliche Steuerüberschüsse und kaum noch feststellbare Arbeitslosigkeit für fast paradiesische Zustände sorgen.

„Storno 2007“ kostete nicht viel im Angesicht der immensen schwarzen Löcher, in denen unsere Steuergroschen auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Aber bei „Storno“ bekam man wenigsten etwas fürs Geld zurück. Für die Kulturinitiative war’s ein glänzender Jahresabschluss, der Mut macht für die Rolle der Kultur im Stadtleben auch über den Jahreswechsel hinaus.