Christo-Ausstellung im Ballenlager

Zeitungen sind unverzichtbar. Davon ist der Redakteur aus tiefstem Herzen überzeugt. Und freut sich natürlich, wenn er aus berufenem Munde in seiner Überzeugung unterstützt wird. Christo jedenfalls, das dokumentiert die Ausstellung im Ballenlager, teilt das Zeitungs-Faible auf seine Weise und führt zugleich die bekannte These ad absurdum, dass nichts älter und damit unbrauchbarer sei als die Zeitung von gestern. Die "New York Times" ist im Ballenlager ein Prachtstück der Ausstellung. Verhüllt, durch Glas geschützt, aus den 60er Jahren und höchst wertvoll.

"Wrapped" ist ohnehin das zumeist verwendete Worte bei der Kennzeichnung der Exponate. "Wrapped", das erläutert der Christo-Freund und Kenner Dr. Alexander Fils, hätten die Künstler selbst zunächst im Deutschen mit dem Begriff "verpacken" übersetzt. "Doch verpacken können Sie Bananen in gelben Kisten der Post." Selbst das alternative Wort "verhüllen" treffe den Kern dieser Objektkunst nicht. "Da wird eher etwas versteckt und mysteriös aufbereitet."

"Wrapped" sind im Ballenlager auch die langstieligen roten Rosen, die Christo den Grevenern rechtzeitig zum Valentinstag offeriert. Für rund 13 000 Euro ist dieser kleine Blumenstrauß erhältlich. "Das ist auch eine Verkaufsausstellung", erläutert Fils in diesem Zusammenhang die besondere Weise der Finanzierung der großen Christo-Projekte. "Christo und Jeanne-Claude arbeiten nicht mit Sponsoren. Sie finanzieren die Projekte ausschließlich über den Verkauf von Bildern und Objekten." Dass dabei Millionen in die Kassen gespült werden müssen, zeigen die Gesamtkosten von Projekten: 15 Millionen Euro waren es bei der Reichtagsverhüllung Mitte der 90er Jahre, 20 Millionen Euro bei "The Gates", und eine noch gar nicht absehbare Summe wird fällig für das Projekt "Mastabu", eine aus 500 000 Ölfässern zu bauende abgekappte Pyramide in dem Wüstenstaat Abu Dhabi

Mehr als 100 Originalexponate der beiden Künstler, aber auch des Fotografen Wolfgang Volz, dem die Christos seit Anfang der 70er Jahre als einzigem autorisierten Fotografen von Christo-Kunst die Treue halten, zieren die gelblichen Backsteinwände des Ballenlagers. Und auch hier findet der Christo-Intimus Fils eine geradezu frappierende Parallele. Zwischen den Stoffballen im Ballenlager des Vaters ist der junge Christo in Bulgarien aufgewachsen, ehe der Staat diesen Betrieb konfiszierte. Vom bulgarischen ins Grevener Ballenlager!

Dem treuesten Vasallenstaat der ehemaligen Sowjetunion verdankt der junge Kunststudent seine zeichnerischen Fähigkeiten. Mit anderen Komilitonen musste Christo damals hässliche Gebäude und Dörfer entlang der international genutzten, quer durchs Land gehenden Eisenbahnlinie aufhübschen. "Die haben da Potemkinsche Dörfer gebaut," erzählt Fils der Christo-Kunstgemeinde.

Diese Fähigkeiten des peniblen Zeichners lassen sich in fast allen Entwürfen der großen Verhüllungen, die die Christos im Laufe von vier Jahrzehnten durchführten, wiederfinden. Im Ballenlager bestens dokumentiert ist etwa die Reichstagsverhüllung. Den Anstoß zu diesem Projekt gab übrigens ein amerikanischer Historiker. Das Reichstagsgebäude reizte Christo und Jeanne-Claude vor allem deshalb, weil mit den vier Mächten sechs Staaten hier ihre Genehmigung hätten geben müssen. Vergleichsweise einfacher wurde es nach der deutschen Wiedervereinigung, als Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth die Christos zur Reichstagsverhüllung animierte.

Einen ganzen Blumenstrauß von Christo-Geschichten servierte Alexander Fils den über 250 Christo-Freunden anlässlich der Christo-Ausstellung am Dienstagabend und lobte zugleich die Ausstellungsmacher für die besonders gelungene Darbietung der Christo-Exponate.

Übrigens: Wer die bereits leicht vergilbte New York-Times gerne kaufen möchte, muss 13 000 Euro dafür hinblättern.

Die Ausstellung ist bis zum 24. Februar täglich geöffnet von 13 bis 19 Uhr