Rüdiger Nehberg in der Kulturschmiede (WN)

Rüdiger Nehberg erzählt, als wenn´s ein Klacks wäre. Feuer machen in der Prärie, Wanderratten ordentlich durchbraten. "Denn nur so schmecken sie gut." Oder Wildschweine in der freien Wildbahn fangen wie zu den besten Zeiten von Asterix und Obelix. "Kaufen kann die ja jeder", und so lernte Nehberg von den Ur-Einwohnern Afrikas, sich an Wasserstellen geduldig einzubuddeln und im richtigen Moment über sich zuzupacken. "Wenn´s schwer wird, packt man zu. Pech kann man aber schon haben, dass es ein Elefant ist. Dann lässt man ihn halt wieder laufen", scherzte Nehberg und fügte hinzu: "Seitdem lasse ich nur noch fangen."

Was Rüdiger Nehberg an einem lauen Samstagabend in der Kulturschmiede von seinen Abenteuerreisen erzählt, hätte sich kein Hollywoodautor ausdenken können. Zwei Stunden lang berichtet er den 130 Gästen euphorisch und authentisch, wie es war fernab der Zivilisation. Zwischenzeitlich entsteht der Eindruck, man wäre selber hautnah dabei, so lebendig erzählt er seine Geschichten, gepaart mit Fotos, die teilweise aus nächster Nähe entstanden sind und gewürzt mit - manchmal für den Geschmack des Normalbürgers ein wenig ekligen - Anekdoten.

Seit seinem vierten Lebensjahr reist der gebürtige Bielefelder durch die Weltgeschichte. Meist aus Neugier, wie er zugibt. Eine bestimmte Reise trat er aber keineswegs aus Neugier an: Den Flug in den Norden Brasiliens in das Reservat der Yanomami Indianer. Unter Militärschutz und abgeriegelt von der Außenwelt sollte das Gebiet sein. Doch der "Vorstadtbäcker Rüdiger", wie er sich häufig selber betitelt, fand ein Schlupfloch. "Die größte Angst hatte ich vor der ersten Begegnung", erinnert sich Nehberg noch. Denn aus seinen bisherigen Reisen wusste er, dass Menschen unberechenbar sein können - nicht zuletzt, da sein Freund vor seinen Augen erschossen worden war. Nach fünf Tagen im Urwald entdeckten ihn die Indianer und nahmen Nehberg auf. Zum Glück, denn beinahe kriegsähnliche Zustände herrschten dort wegen der Goldgräber, die sich mehr und mehr das Reservat unter den Nagel gerissen hatten. Im Kampf gegen diese musste Nehberg schnell erkennen: Er hatte alleine keine Chance.

Zurück in Deutschland begann er mit spektakulären Survivalaktionen auf sich und die Indianer aufmerksam zu machen, etwa durch die Überquerung des Atlantiks per Tretboot - und er verrät, dass ihm manchmal speiübel war vor Seekrankheit und er kräftig die Fische fütterte mit ihren Artgenossen, die er vorher verspeist hatte. Aber erst als er und sein Freund Wolfgang im Jahr 2000 eine heimlich gefilmte Dokumentation über die Missstände im ZDF veröffentlicht hatten, nahmen sich die Großen der Welt die Situation zu Herzen und lösten das Problem. "Auf einmal war Frieden möglich", wunderte sich Nehberg.

 

Waren alle Abenteuerreisen wirklich so ein Klacks, wie Nehberg lässig erzählt? "Ich habe schon so viel erlebt. Da macht es mir gar nichts mehr", zwinkert er, dreht sich um, schreibt weiter fleißig Autogramme und erzählt noch einmal genau, wie Wanderratten schmecken . . .

 

Rüdiger Nehberg in der Kulturschmiede (GZ)

"Mein Leben ist ein selbst erlebter Krimi." So umschrieb Abenteurer, Weltenbummler und Aktivist für Menschenrechte, Rüdiger Nehberg, am Samstagabend in der Kulturschmiede den über 150 Besuchern in einem fesselnden Diavortrag sein Leben.

Auf der "Suche nach der großen Einsamkeit" hatte der gelernte Konditor (Bäckerei Pohlmeyer in Münster) von 1951 bis 1960 bereits Radreisen rund um die Welt gemacht, als er die "Survival-Bewegung" kennen lernte. Was darunter zu verstehen ist, das zeigte der Überlebenskünstler an drastischen Beispielen. Unter dem Motto "Ekel ist überwindbar" bezeugte er, dass "ein gebratener Regenwurm besser schmeckt als ein roher" und dass es sich bei Insekten aller Art um Proteine handelt. Gut beim Publikum an kamen auch Nehbergs Bilder, die ihn dabei zeigten, wie er einer Schlange den gerade verschlungenen Frosch wieder "austrieb", um ihn dann selbst zu "verköstigen", Die Schlange durfte er nicht verspeisen, die "stand unter Naturschutz".

"Dieser Nehberg ist ja ein Verrückter, ein Wahnsinniger, immer auf der Suche nach dem neuen Kick", dachte so mancher Besucher bis dahin. Das änderte sich aber mit seinen Berichten und Aktionen ab 1980, als dieser "Würmerfresser" zum Menschenrechtsaktivisten mutierte. "Jetzt kam zu meinem Drang nach Abenteuern Sinn hinzu", kommentierte er diesen Wandel. Als erster "Nutznießer" ist das Volk der Yanomami im brasilianischen Regenwald an der Grenze zu Venezuela zu nennen. Dieses Volk war durch Goldfunde vom Aussterben bedroht, bis Rüdiger Nehberg mit einer "Wut, die kreativ macht", sich dieses Volkes annahm und durch spektakuläre Aktionen auf deren Bedrohung aufmerksam machte.

1987 ging es im Tretboot - vorher hatte er eine Kampfschwimmerausbildung gemacht - über den Atlantik und im Jahre 2000 auf einem aus einer 350 Jahre alten Tanne bestehenden Floß mit Namen "The Tree". Mit all diesen Aktionen trug Nehberg dazu bei, dass den Yanomami-Indianern ein geschütztes Gebiet zugestanden wurde.

Dann hörte der Weltenbummler von den Genitalverstümmelungen bei Frauen in einem großen Teil der islamischen Welt. "Wie kann eine Weltregion solche Verbrechen begehen?", fragte er sich und begann seine "Wut" in Aktionen umzusetzen. Im Jahre 2000 gründete er mit Gleichgesinnten die Menschenrechtsorganisation "Target" und, was keiner für möglich gehalten hatte, nach einigen kleineren lokalen Erfolgen schaffte "Target" 2006 mit der Azhar-Konferenz in Kairo den Durchbruch.

In dieser Konferenz erklärten die höchsten Rechtsgelehrten der arabischen Welt: "Weibliche Genitalverstümmelung ist ein strafbares Verbrechen. Es verstößt gegen höchste Werte des Islam." Klar, dass die Kulturschmiedebesucher diesem "großen Mann" nach dem Ende des Vortrags sehr starken Beifall zollten. Solches Engagement eines Einzelnen, so der Tenor bei vielen Zuhörern, kann man nur bewundern.