tom Ring-Projekt in der Kulturschmiede (WN)

Und bei allem hatte Gräfin Agnes ihre Hände im Spiel. Mit einem Bild, das sie bei dem münsterischen Renaissancemaler Hermann tom Ring in Auftrag gibt, stellt sie die Familienehre der Rietbergs wieder her, die durch einen blutigen Konflikt mit einer anderen Adelsfamilie verloren gegangen ist. Eine fast 500 Jahre alte Geschichte von Macht, Blut und Ehre erlebt am Samstagabend in der Kulturschmiede eine Neuauflage. Die Gräfin, ihr Mann Johann der Tolle und die beiden Kinder schauen an diesem Abend von der Leinwand. Wie werden Fiktion und Fantasie ihre Geschichte verändern?

Wo blieben die Hände der Gräfin? Diese Frage bewegt zur Freude von KI-Chef Egon Koling und Susanne Schulte, Geschäftsführerin der Gesellschaft zur Förderung des Westfälischen Kulturarbeit (GWK), ein erstaunlich großes Publikum an diesem Abend. Die Fakten dazu sind rasch erzählt: Das Familienbild wird irgendwann vor 300 Jahren in verschiedene Teile zerschnitten. Die tauchen zwischen 1955 und 1989 in England wieder auf und werden durch den späteren Leiter des Landesmuseums, Paul Pieper, wieder nach Münster geholt. Gräfin Agnes Hände indes bleiben verloren und werden bei der späteren Restaurierung durch einen Platzhalter, eine so genannte Neutral-Retusche ersetzt.

Wo die Kunstgeschichte allein das Geheimnis des tom Ring-Bildes nicht zu lösen vermag, setzt an diesem Abend die Kraft der Fiktion ein. "Hände", so heißt die Auftragserzählung des Schriftstellers Stefan Beuse, die die Zuhörer in der Schmiede ganz rasch in den Bann schlägt. Leise und eindringlich erzählt er von der Kraft der Hände, die das viel zu früh geborene Zwillingsmädchen Lea aus dem Bauch der Mutter zieht, Hände der Zwillinge, die sich gegen brutal schlagende Hände des Vaters zur Wehr setzen.

Stefan Beuse erzählt aber auch von der Kraft der Bilder, die dem Mädchen Lea helfen, das brutale Umfeld einer misshandelten Kindheit zu verlassen. In seiner Auftragsarbeit aus Anlass des 50-Jahr-Jubiläums der GWK zieht Beuse den Bogen zu Hermann tom Rings Familienporträt ohne Hände, das das Mädchen als eine herausgerissene Seite aus einem Kunstkatalog am eigenen Leibe trägt. Doch das Geheimnis dieses Bildes entzieht sich zunächst auch der Vorstellungskraft des jungen Mädchens. Erst in ihrem eigenen Tod wird die Erkenntnis geweckt. Ganz still ist es in der Schmiede bei dieser so düsteren wie packenden Geschichte.

Das ändert sich, als drei junge Männer die Bühne betreten: Weiße Hände setzen sich auf dunklen Tischplatten in Bewegung: Handkanten streifen synchron über die Oberfläche, Fingerkuppen schlagen langsam den Rhythmus, geballte Fäuste trommeln - mal mit, mal gegeneinander. Vier junge Studenten der Musikhochschule, die gemeinsam die Somo-Percussion-Group bilden, erzeugen mitreißende Rhythmen allein durch die Kraft ihrer Hände. "Thierry de Mey" hat diese "Musique de Table" komponiert, hat eine Choreographie für Hände geschrieben.

Dann leisten faszinierte Zuhörer ihren Beitrag: 70 Hände setzen sich in Bewegung, klatschen kräftig und ausdauernd, und die Gräfin ohne Hände schaut zufrieden drein.

 

tom Ring-Projekt in der Kulturschmiede (GZ)

Es muss nicht immer populäre Musik und Kabarett sein. Auch ein etwas "elitäreres" Programm findet in Greven durchaus sein Publikum.

Den Beweis dafür gab es am Samstagabend, als immerhin 75 Besucher bei der Veranstaltung der KI "Hände - Bildgeheimnisse tom Ring" in der Kulturschmiede gezählt wurden. Darüber waren der Veranstalter, die KI, der Kooperationspartner, die Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Kulturarbeit (GWK) sowie die Akteure recht glücklich.

Um die münstersche Malerfamilie aus dem 16. Jahrhundert tom Ring (Vater Ludger tom Ring und die Söhne Hermann und Ludger) ging es bei dieser Veranstaltung, insbesondere um Hermann tom Rings "Familienbild des Grafen Johann II von Rietberg" aus dem Jahre 1564. Der Entstehungsanlass und die Geschichte des Bildes sind auf- und auch anregend und fordern die Fantasie heraus. Man muss sich nur auf das Bild einlassen, dann lässt es einen nicht mehr los. Das hat Dr. Susanne Schulte, Geschäftsführerin der GWK, erfahren. Von ihrer Begeisterung für das Bild sprang der Funke aufs Publikum über.

Nach einer Film-Einführung in die Lebensumstände und Werke der Maler tom Ring, wusste Schulte Faszinierendes von dem Familienbild des Grafen Rietberg zu berichten, das im Landesmuseum in Münster hängt.

Nach Münster gekommen war es in Einzelteilen, denn das Bild war vor rund 200 Jahren, des besseren Profits wegen, in vier Teile zerschnitten worden. 1955 ersteigerte das Museum das Bild der beiden Töchter, später den Grafen und zuletzt den Teil mit Gräfin Agnes. Es fehlt noch der vierte Teil, das Stück mit den Händen der Gräfin. Entstanden war das Gemälde im Jahre 1564.

Mit diesem Bild einer "heilen" Familie, das reich mit Symbolen von Reichtum, Bildung, Religiosität, Triebverzicht und Treue ausgestattet ist, will sie drohendem Verlust des gräflichen Lebens entgegen wirken und die Heiratschancen ihrer Töchter erhöhen. Und beides gelingt dieser tüchtigen Frau. Aber dunkel bleibt, was die Gräfin in den Händen hält. Diese fehlenden Hände waren es, die den Autor Stefan Beuse, geboren 1967 in Münster, zu seiner Erzählung "Hände" anregten, die er vortrug. Am Samstag waren jedoch noch mehr Hände im Spiel. Im Kontext mit Beuses Erzählung zeigte das SOMO Schlagzeugeensemble unter der Leitung von Peter Nagy, was Hände sonst noch können.

David Höing, Frank Oberwandling, Jasper Ubben und Peter Ubben schlugen auf Trommeln, Tischen und der Marimba eine Parallelwelt zur Erzählung Stefan Beuses herbei. Das Publikum war beeindruckt.