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Norby-Danielsson in der Kulturschmiede
(WN)
Sind es nur die runden Holzkurven des Kontrasbasses, die
der entrückte Schwede mit langen schmalen Fingern
nachzeichnet? Ist es bloß der Steg, den Lars
Danielsson mit einem lässig ausgeholten Handschlag als
rhythmisches Beiwerk zum Klingen bringt? Und sind es
wirklich nur die vier Saiten des gemaserten musikalischen
Klangriesens, die der schmale, sehnige Schwede mal
schlägt, oft zupft und immer wieder streichelt? Zwei
Stunden erlebt ein fasziniertes Auditorium die
inbrünstige Liebe eines Musikers zu seinem Instrument.
Zwei Stunden erleben gut 150 Musikfreunde, dass es um
musikalische Erlebniswelten zu erschließen, kaum mehr
bedarf als eben dieser Liebe zum Instrument und das blinde
Verständnis zweier Jazzer, die Bett und Bühne in
Liebe teilen. Doch bei aller Liebe zum ton- wie formenvollen
Bass rangiert Partnerin Cecilia Norby wohl außer
Konkurrenz.
Willkommen nordischer Jazz in der Schmiede: Als der kleine
Bassist und die große Sängerin mit Joni Mitchells
Both sides now erstmals die Altstimme modulieren
und die ersten Takte anschlagen, verstummen die
Thekengespräche. Kein Sound für den Background. Da
will jeder Ton erlebt, der abwechslungsreiche Dialog von
Stimme und Bass erfasst werden.
Wehe, wem dies nicht gelingt. Zu akademisch, wie
ein modernes Theaterstück, lauten die
Kommentare jener Zuhörer, die Norby und Danielsson
nicht mit auf die Reise nehmen können.
Sie verpassen so viel. Mit Human Nature etwa die
packende Hommage an Michael Jackson. Der Rhythmus, der
Stakkato-Tanz, die fistelnde Stimme der toten Ikone - all
das präsentiert das Jazzpaar. Allerdings: Statt
orchestral und mächtig, reduziert auf Stimmbänder
und Saiten, begleitet mit expressiver Mimik. Perfekte
Jazztransformation.
Nordischer Jazz ist gefühlvoll und nicht kühl,
eine Erfahrung, die die Gäste des Konzerts im Rahmen
des Münsterlandfestivals pART 5 schon nach
wenigen Takten erfahren. Die Afrikanischen
Fairytales al la Wayne Shorter in
schwedisch-dänischem Gewande würden selbst
Eisberge schmelzen lassen.
Vor acht Jahren, fünf Monaten und einem Tag: Da hob ein
kleines Mädchen die Gefühlswelt des sympathischen
Jazz-Duos aus den Angeln: Cecilia Norby gewährt Grevens
Jazzfreunden in First Conservation stimmlich
vermittelte Eindrücke an Töchterchens Geburt, die
Papa Lars nachdrücklich mit dem Bogen
unterstreicht.
Nach poetischem Jazz wandeln die beide plötzlich auf
Johnny Cash´s Spuren. Die Schmiede wird zum Knast von
St. Quentin: 25 Minutes to go. Da wechselt die
feine Altstimme urplötzlich zum rauen Countrysound, der
sphärische Bass zur verfremdeten Klampfe. Der Freund,
dem all dies zu akademisch war, ist längst nicht mehr
hier. Und verpasst so auch die rappige Love for
sale, eine käufliche Liebe, bei der beide Musiker
temporeich einander in immer wildere Musikhöhen
treiben. Da lösen die Soli von Stimme und einem
inzwischen gezupften wie gestrichenen Cello wahre Da
Capo-Rufe aus. Of course, you got a Zugabe, ruft
die Sängerin kurz vor Schluss ins Publikum und stimmt
Leonhard Cohens Halleluja an, das, mal soulig, mal rockig
eine ganz neue Interpretation erfährt.
Was für ein Weib, was für eine Stimme. Und, alter
Schwede, was für ein Bass. Dass der auch den Blues
kann, beweisen Norby-Danielsson mit ihrem allerletzten
Streich. Die Route 66 bringt der Schmiede den Blues. Sie
hätte dem Freund auch gefallen.

Norby-Danielsson in der
Kulturschmiede (GZ)
Autumn leaves von Joseph Kosma einmal
ganz anders, aber genial gut. Ohne den Staub von über
60 Jahren erklang dieser Jazz-Standard am Freitagabend in
der Kulturschmiede der GBS.
Mit Caecile Norby war eine der wohl größten
Jazz-Sängerinnen Skandinaviens nach Greven gekommen,
begleitet von ihrem musikalischen Partner und Ehemann Lars
Danielsson. Solch Ausnahmekünstler nach Greven zu
holen, gelang durch die Kooperation der Kulturinitiative und
dem Münsterlandfestival pART 5, das in diesem Jahr
Musik aus Dänemark, Norwegen und Schweden an
ausgesuchten Spielstätten im Münsterland
präsentiert.
Für die Besucher in der ausverkauften Kulturschmiede
war dieser Abend quasi eine Offenbarung. Sie erlebten in den
sehr poetisch-lyrischen Eigenkompositionen und den
innovativen Interpretationen zeitloser Jazz-Standards eine
wohl nie wahrgenommene Tiefe und Ausdruckskraft.
Gleich zu Beginn zeigte Caecile Norby mit einem Song von
Joni Mitchell ihren besonderen Zugang zu musikalischen
Welten. Ihre warme Stimme verschmolz mit dem Klang des
Kontrabasses, den Lars Danielsson wie wohl kein zweiter
Instrumentalist zum Klingen brachte.
Mit ihren 45 Jahren hat die Tochter einer Opernsängerin
und eines Komponisten längst eine
außergewöhnliche künstlerische Reife
erlangt, führt das Erbe von Ella Fitzgerald und Nancy
Wilson mit warmer und wandlungsreicher Stimme fort.
An diesem Abend hätte man eine Stecknadel fallen
gehört, so intensiv lauschte das Publikum den
einzigartigen Interpretationen. Elektronische
Multi-Voice-Effekte wurden integriert in einen Dialog mit
normaler Gesangsstimme und Instrumentalklang, facettenreich
erlebte man ganz neue Klangebenen.
Just one of those things und Fly me to the
moon waren delikat arrangiert und vom Tempo her
irritierend anders als normal, sie klangen wie
leuchtende kostbare Diamanten. Charmant sang die Lady des
Jazz für ein hingerissenes Publikum, das die
Qualität dieses Konzertes zu würdigen wusste.
Selbst ihre Eigenkompositionen klangen wie wahre
Klassiker.
Und mit einem Gänsehaut erzeugenden
Halleluja von Leonard Cohen ging sie weit
über das Niveau der über 120 Coverversionen
hinaus, lieferte eine jazzige Improvisation mit exzellenter
Gesangskultur. Da legte sie einfach so viel Gefühl in
ihre Altstimme, dass sie die Herzen der Zuhörer
mitschwingen ließ.
Mit Lars Danielsson erlebte man fast unwirklich schöne
Welten harmonischer Schwingungen. Dieser klassisch
ausgebildete Cellist verwob mal einfach so eine kurze
Passage einer Bach-Cello-Suite in einen Jazzstandard, zeigte
seine große kreative Vielschichtigkeit. Er war
gleichwertiger Partner im musikalischen Dialog, vereinte
Fülle und Zartheit in seinem vollendet weichen Ton.
Für das Publikum in der Kulturschmiede war dieser
Ausflug nach Skandinavien ein Erlebnis, das noch lange
nachwirken wird.
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