|
Freuynde und Gaesdte bei
Öppe (WN)
Eine Zeitreise der ganz besonderen Art in eine
mittelalterliche Folterkammer präsentierte die
Münsteraner Theatergruppe Freuynde und
Gaesdte mit ihrem Stück Leyden auf
Einladung der Kulturinitiative im historischen Bierkeller
der Gaststätte Zum Gorldenen Stern. In
Münster sind die Einflüsse und Zeugnisse der
Wiedertäufer ja allseits präsent, ihre Käfige
hängen immer noch öffentlich als Zeugnis damaliger
mit glühenden Zangen vollzogener Rechtsprechung an der
Labertikirche. Aber solch einen beeindruckenden Raum mit dem
passenden Ambiente wie in Greven haben die Akteure dort
sicherlich nicht.
So wurden an zwei Abenden für 160 Theaterfreunde die
Jahrhunderte in einem wahren Psychodrama zurückgedreht,
erlebte man hautnah den Lebensbericht des vor 500 Jahren
geborenen Wiedertäufer-Königs Jan van Leyden. Als
Grundlage der Inszenierung dienten die sieben historischen
Protokolle der Aussagen von Jan van Leyden und seinen beiden
Mithäftlingen Bernd Knipperdolling und Bernd Krechting,
die bischöfliche Kommission hatte nach dem Sturm der
Landsknechte ganze Arbeit geleistet.
Mit dem Theaterstück Leyden erlebten die
Zuschauer ein Stück Zeitgeschichte in spannendster
Form. Der gefolterte Prophet wurde von Marcell Kaiser so
authentisch gespielt, dass sich das Publikum gleich in der
niederdeutschen Sprache zu Recht fand. Er konnte die
zerrissene Persönlichkeit des König Johann
zu Münster in all ihren Facetten und in ihrer
Entwicklung vom friedlichen Propheten bis zum
apokalyptischen Streiter brillant darstellen.
Als Gegenspieler erlebte man Zeha Schröder, distanziert
und ganz ohne Mitleid vollzog er die Befragung des
Delinquenten, führte ihn dabei gezielt in die Irre und
kam mit seinen wohl akzentuierten Verhörmethoden
schließlich zum erstrebten Ziel, dem Geständnis.
Der mit einer rostigen Kette am Gemäuer angebundene
Visionär und Rebell erzählte mit ungebrochenem
Stolz von den damaligen Zuständen im vom Bischof
belagerten Münster, von seinen
Verblindungen, der Vielehe der Täufer, den
rauschenden Festen und brutalen Hinrichtungen.
Marcell Kaiser erlebte man in einer ihm wie auf den Leib
geschriebenen Paraderolle, sein schauspielerisches
Können schlug jeden Zuschauer in Bann. Die wechselnden
Gemütslagen des einstigen Wiedertäufer-Königs
zeigten sich in exzellenter Mimik und Gestik, tragikomische
Momente wie die Erzählung Leydens vom Orgel spielenden
Ludgerus wechselten mit zornigen Gefühlsausbrüchen
und verzweifelten Selbstanklagen.
Solch ein Stück, passend zum Wiedertäuferjahr
2009, rückt die damaligen Ereignisse ins Zentrum,
Parallelen zu zeitaktuellen Geschehnissen tauchten aber vor
dem inneren Auge der Zuschauer bei solch dramatischer
Spielweise immer wieder auf.
Und verließ man nach diesem grandiosen Theatererlebnis
das von Bernd Temme stilsicher hergerichtete Gewölbe
von Öppes Keller, wirkte der Schatten der großen
Martinuskirche wie ein mächtiger Vertreter des
Münsteraner Domes in der Dunkelheit.

Freuynde und Gaesdte bei
Öppe (MZ)
Die Spielorte, die sich das Theaterensemble
Freuynde & Gaesdte aussucht, müssen
authentisch sein. Sie beziehen sich auf das jeweilige
Stück. Für Leyden gingen die
Theatermacher in den Bierkeller von Winninghoff, einen
Tonnenkeller aus dem 16. Jahrhundert.
Das Verlies, in dem der König der Wiedertäufer,
Jan van der Leyden (Marcell Kaiser), einst verhört
wurde, mag auch so ausgesehen haben. Nachdem die Zuschauer
in gebückter Haltung durch die Kellertür den Ort
des Geschehens erreicht hatten, sahen sie im blakenden
Kerzenlicht ihn, den gefolterten und mit einer
Fußkette gefesselten Aufrührer liegen, in elendem
Gewande und mit abgehackter Schwurhand.
Ein Häufchen Elend, dieser Jan van Leyden (Marcell
Kaiser), der auf sein Verhör wartete. Dann erscheint
der Befrager (Zeha Schröder), kühl bis ans Herz,
mal süffisant lächelnd, mal nachdenklich versucht
er den Delinquenten zu Schuldbekenntnis und Reue zu bringen.
Doch der Darniederliegende, dem der Bischof die schlimmsten
Verbrechen unterstellt Aufruhr, Vielehe,
Vergewaltigungen und Kindstötungen erzählt
mit ungebrochenem Stolz von seinem Leben und den
Zuständen im belagerten Münster.
Bin Johann, to Leyden geboren un upgefuddert
Das ist die Originalsprache der Protokolle, die
der Aufführung zugrunde liegen: Ein Stück
Authentizität, aber auch eine Erschwerung für den
Zuschauer, der konzentriert zuhören muss. Hilfreich
dabei ist jedoch, dass der Befrager Hochdeutsch spricht.
Leyden räumt ein, Fehler gemacht zu haben. Morde,
slag dood, das war der Fehler. Er wollte nichts weiter
als ein Verkünder von Gottes Wort sein. Niemand
hatte better Erkenntnis als eck, gibt er sich auch
noch zum Schluss der Befragung uneinsichtig. Danach geht der
Befrager. Jan van Leyden erhebt sich, löst sich von der
Kette, entfernt den Verband an der rechten Hand, dem er
einen Zettel entnimmt.
In Hochdeutsch berichtet Marcell Kaiser von dem
unsäglichen Gemetzel, das die Landsknechte des Bischofs
im eroberten Münster veranstalten. Ein guter
Regieeinfall und beeindruckender Abschluss. Klar, dass das
Publikum noch lange den hervorragenden Akteuren für
ihre Leistung applaudierte.
|
|