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Nu geit´s los. Dass Martin Dziersk seinen auf 20 Sitzungen verteilten Parforce-Ritt durch die Kunstgeschichte in Plattdeutsch eröffnet, um fünf Minuten später seine 200-köpfige Gefolgschaft mit den 1822 von Champollion entzifferten Hieroglyphen der alten Ägypter vertraut zu machen, ist schon verrückt, hat aber wie alles bei dem promovierten Kunsthistoriker und bildenden Künstler System. Da liegt es doch nah, der kunstgeschichtlichen Vortragsreihe einfach den Titel Mit System verrückt zu verpassen. Eigentlich soll sich an diesem Abend alles um die Kunst der alten Ägypter drehen. Viele tausend Jahre in zwei Stunden, die Ägyptologen dürfen mich gerne verhauen. Doch statt des Pharaonen-Konterfei flimmert zunächst ein vierteiliges Werk von Otto Dix über die Mega-Leinwand im Ballenlager. Unser Warm-up, entschuldigt Dziersk den Jahrtausend-Sprung, um dann die Dixsche Kriegsdarstellung rasch auf eine Vorlage zurück zu führen, die aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts datiert. Pate stand die Kreuzigungsszene aus dem Isenheimer Altar von Matthias Grünewald. Bezüge werden deutlich, geometrische Formen haben plötzlich eine Funktion, Körperhaltungen sind deutbar. Man sieht nur das, was man weiß, zitiert Dziersk eine Binsenweisheit, um dann seinem Publikum den entscheidenden Tipp zu geben: Man muss ganz viel wissen. Und ganz viel Wissen vermittelt der Rhetorikfachmann - 120 Minuten freier Vortrag mit nur einem Äh - - dann an diesem Abend doch noch über die Kunst der Ägypter. Das Beispiel Pyramide. Was in so simpler Form daherkommt, ist für Dziersk die Quadratur des Kreises. Geht nicht? Gibt´ s nicht? Doch. Das Höhen- und Breitenverhältnis von 14 zu elf, ein Winkel mit 51 Grad, 50 Minuten und 40 Sekunden. Wichtige Zutaten. Die Fläche des Grundquadrats der Pyramide entspricht so der Fläche eines darauf angepassten Kreises mit einem aus diesen Maßen abzuleitenden Radius. Atemberaubend und für Dziersk und sein Publikum eben die Quadratur des Kreises. Dziersks großes Thema ist die Lesbarkeit der Kunst. Auch hier gibt er seinen gebannt lauschenden Zuhörern ein paar Werkzeuge an die Hand. Das Nil-Delta, auch als Nil-Schlüssel bezeichnet, findet sich in vielen Darstellungen als Anch-Zeichen wieder, Sinnbild für das Leben, Die Lilie bezeichnet Ober-, der Papyrus Unter-Ägypten, zusammengebunden symbolisieren sie die Einheit des Reiches. Es gibt ein Vokabular, das einem vor die Füße kullert. Sie müssen jetzt nur noch lesen. Dazu haben Interessierte noch viele Möglichkeiten, denn Martin Dziersk - er wurde natürlich nicht von Ägyptologen verhauen - geht mit seinen Vorlesungen bereits am kommenden Freitag in die zweite Runde. Dann heißt es wieder Mit System verrückt. ![]()
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