Martin Dzierk im Ballenlager (WN)

Ob nun Albrecht Dürer als Antipasti und Hieronymus Bosch als Filetstück – sei‘s drum. Martin Dzierks Gang durch den kunsthistorischen Gemüsegarten geriet mit dem vorläufigen Finale der Frühjahrs-Vortragsreihe zu einer ganz besonders deftigen Mahlzeit, an der sich ein kunstbeflissenes Publikum labte.

Den Dürer nahm die treue Zuhörerschaft gerne als Antipasti. Großer Künstler der Renaissance, für den es stets ein Makel bedeutete, nördlich der Alpen geboren zu sein. Aus diesem Makel machten seine Kritiker das Beste. So gilt er heute gern´ als „Michelangelo nördlich der Alpen“. Wie „Germans next Top-Model“ kündigte der Referent die Konterfeis der folgenden Dürer-Grazien, einer unbekannten Schönen auf dem Fünf-Mark-Schein und der Elisabeth Tucher auf dem 20-Mark-Schein. Ein bisschen Biografisches lieferte Dziersk zugleich: Albrecht Dürer, eins von 18 Kindern, die die Mutter binnen 25 Jahren auf die Welt brachte, wobei Mamas Porträts vor und nach den Geburten nur all zu deutlich machten, dass diese Kinderproduktion nicht spurlos an einer Frau vorbeigehen können. Nur drei aus der großen Schar überlebten. Weiterer Nachwuchs in Albrechts Generation blieb aus. Die Nürnberger Künstlerfamilie war Mitte des 16. Jahrhunderts ausgestorben.

Von betenden Händen nahm Dziersk sein Publikum mit zu Hieronymus Bosch´ Triptychen. Etwa in den Garten der Lüste. „Nix aus Brehms Tierleben“ kommentierte der Referent den höchst fleischigen Hauptgang. Manche Stellungen ließen sich nicht mal im Lehrbuch von Kamasutra entdecken, mutmaßte Martin Dziersk mit einem Augenzwinkern. Bosch stellte Dziersk in eine Reihe mit erotischen Dichtungen Boccaccios und aus dem Decamerone. Dass der Maler mit seinen mehr als freizügigen Darstellungen nicht zur Zielscheibe der Inquisition geworden sei, führte der Kunsthistoriker auf den direkten Bezug zu biblischen Vorlagen zurück. Selbst ein Herzog von Alba, Inquisitor in jenem Jahren, erfreute sich ganz privat an den nackten Tatsachen eines Hieronymus Bosch.

Mit tosendem Beifall verabschiedete das kunstbegeisterte Publikum, das an diesem Abend neuerlich auf seine Kosten gekommen war, seinen Referenten in die Sommerpause. Viele haben die Herbstvorträge schon jetzt gebucht. Dann mündet der rote Faden in der Jetzt-Zeit.