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Klassik-Open-Air an den
Emsauen
Figaro düst durch Grevens Beach. Der Barbier
von Sevilla hüpft von der Bühne und verfolgt
einen sich anfangs sträubenden Gast mit Schaum und
Schere. Eine Rasur!, ruft der Bariton Michael
Nonhoff als Figaro werbend. Und hat Erfolg. Sein
Opfer nimmt schließlich auf dem Podium
Platz. Der Mann wird eingeseift der Barbier
trällert stimmstark die berühmte Arie Largo
al factotum - Figaro, Figaro, Fiiigaro!
Nonhoff machte das wirklich klasse, das Publikum am Beach
grinste sich eins.
Die witzige Einlage war das Sahnehäubchen des
Klassik-Open-Airs. Ein Konzert, das bei den Zuhörern
unüberhörbar gut ankam. Ebenso
unüberhörbar waren leider auch die Schwächen
der Tonanlage. Die in Greven schon wohlbekannte
Symphony Prague ist ein Orchester, das
Dvorák und Co. aus dem Effeff beherrscht das
hörte man. Aber wenn die Lautsprecher so phonstark
eingestellt sind, sollten die Violinen nicht dünn und
verzerrt fiepsen, während das Bassfundament fehlt. Kein
runder, satter Sound alles zerfaserte in einzelne
Instrumente.
Da hätten die Prager Musiker unter dem versierten
Dirigenten Stefan Britvik es nicht mit einem kurzen
Soundcheck bewenden lassen sollen! Hinzu kam, dass das
Orchester eh zu klein besetzt war. Opulente romantische
Kracher wie Tschaikowskys Blumenwalzer oder gar
Dvoráks Sinfonie Aus der Neuen Welt (mit
zwei Sätzen vertreten) sollten nicht von einem
Orchester kommen, das zahlenmäßig eher einer
Haydn-Sinfonie entspricht.
Genug gemeckert: Was an Klangqualität fehlte, machte
das Können der Prager Profis annähernd wett. Das
Englischhorn-Solo im langsamen Satz der Neuen
Welt erfüllte melancholisch die ganze Emsaue;
kein Wunder, dass auf der Brücke die Passanten
stehenblieben und der Stimmung lauschten. Die Streicher
führten virtuose Staccato-Passagen im Finale und auch
bei Friedrich Smetana (Sprungtanz aus Die verkaufte
Braut) punktgenau aus.
Ein weiteres Highlight waren die Soli von Daniela Stampa
(Sopran). Das berühmte Lied an den Mond aus
der Dvorák-Oper Rusalka sang sie innig
und mit tadelloser Legato-Kultur. Sie ging sensibel mit dem
Mikrofon um und musste nicht forcieren. Bei Franz
Léhars Lied von Vilja aus der
lustigen Witwe bewies die Sängerin jenen
Sechsten Sinn für leichte Muse, den
Operetten-Arien eben brauchen. Das passte zur
hereinbrechenden Dämmerung.
Der Rest war zackiges Furioso. Ob es Dvoráks
slawische Tänze waren oder die Fanfaren der
Leichten Kavallerie eines Franz von
Suppé. Das macht den Profis der Symphony
Prague, die sich aus anderen Prager Spitzenorchestern
formiert haben, keine Probleme. Nur furios klingen sollte es
halt auch. Übrigens hatte Bariton Michael Nonhoff aus
Münster unterhaltsame Moderationen parat. Er wusste zum
Beispiel, dass nach Smetana ein Asteroid benannt ist und
kannte sogar das Jahressalär, das Dvorák
seinerzeit in der Neuen Welt als Dirigent erhielt
15.000 Dollar.

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